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Simeiz 22 - ein „Speedy PN“

 Jens Bohle

 

Simeiz 22 gehört zu den etwas schwieriger zu beobachtenden Nebeln innerhalb unseres Fachgruppenprojekts. Die fotografische Darstellung ist bei diesem Objekt sicher einfacher zu realisieren als die visuelle Beobachtung. Speziell für den visuellen Beobachter sind neben Beobachtungserfahrung auch ein dunkler Himmel sowie ein Linienfilter für die erfolgreiche Beobachtung essentiell. 

 Am Crimean Simeiz Observatorium haben Shajn und Hase im Jahre 1951 dieses Objekt im Rahmen ihrer Studien nebelartiger Objekte fotografiert. Sie hielten es zunächst für eine HII-Region. Sharpless nahm das Objekt acht Jahre später wegen seiner starken Rotemissionen in seinen heute auch bei Amateurastronomen immer noch gut bekannten Katalog auf und gab dem Nebel die Nummer 188 [1]. In den sechziger und siebziger Jahren spekulierte man über die Natur des Nebels und vermutete in Simeiz 22 einen Supernovarest. Schaut man sich das Objekt auf den POSS-Aufnahmen an, so erkennt man ein sichelförmiges Gebilde mit auffälligen feinen Filamenten welche zu recht an einen Supernovarest erinnern. Radiountersuchungen in den späten siebziger Jahren kamen allerdings schon zu dem Entschluss, dass Simeiz 22 kein SNR sondern ein PN ist. Schwierig gestaltet sich die Distanzbestimmung. Im Jahre 1970, als man das Objekt noch für einen SNR hielt, ging man von einer Entfernung von 3500 pc aus. Neuere Untersuchungen haben diesen Wert korrigiert. Um die Entfernungsbestimmung zu präzisieren suchten die Astronomen nach einem Zentralstern. 1988 wurde ein Kandidat gefunden [2]. Der sehr heiße Weiße Zwergstern mit der Bezeichnung WD 0127+581 gilt als Zentralstern von Simeiz 22. An der Position 01 30 40 zu +58 22.0 kann ein Beobachter mit sehr großem Teleskop den 17,7mag hellen Zwerg finden. Auf den meisten Amateurfotografien dürfte das Objekt schon abgebildet sein. Durch diese Bestimmung und der daraus resultierenden Entfernungsermittlung wurde die Distanz zu etwa 965pc bestimmt [3]. Berücksichtigt man diese Entfernung so ergibt sich eine tatsächliche Größe von knapp 3 pc was für einen PN einen recht stattlichen Wert darstellt.

 

Simeiz 22 besitzt bezogen auf die Flächenhelligkeit einen sehr hohen Gradienten. So ist der sichelförmige Hauptteil des Nebels, der in den Linien [OIII] und [NII] sowie auf H alpha-Aufnahmen fast gleichermaßen prominent ist, um den Faktor 30 heller als der Rest des Objekts. Sehr tiefe Belichtungen in der H alpha-Linie zeigen, daß Simeiz 22 unter Berücksichtigung der schwächeren Strukturen wieder als fast rundes Gebilde erscheint (auch die O[III]-Aufnahmen zeigen diese äußeren Strukturen sehr schwach). Auf diesen extrem tiefen Aufnahmen hat der PN dann eine Ausdehnung von nahezu 20 Bogenminuten, wobei diese äußeren Bereiche nur etwa ein Prozent der Helligkeit der prominenten Schalen im östlichen Bereich zeigen. Einen guten Eindruck der unterschiedlichen Erscheinungsbilder vermittelt der Atlas von Tweedy und Kwitter [5] wo diverse PN in unterschiedlichen Emissionslinien dargestellt sind.

 

Bereits angesprochen wurde die unregelmäßige Form von Simeiz 22. Ein unregelmäßiges, stark asymmetrisches Erscheinungsbild ist ein Hinweis auf einen PN fortgeschrittener Entwicklung. Jüngere PN zeigen oft noch einen symmetrischen Körper in Form eines Ovals oder Kreises hervorgerufen durch den schnellen Sternenwind des Zentralsterns. Typische Beispiele sind der Ringnebel M 57 oder der „blue snowball“, NGC 7662. Ältere PN weichen zusehends von dieser Symmetrie ab und können sich dabei in hohem Alter zu Objekten mit Filamenten oder Bögen wandeln. Der Grund für diese Verformung ist die Wechselwirkung mit dem interstellarem Medium. Die abnehmende Dichte des äußeren PN macht den PN „anfällig“ für diese Deformation. Diese Wechselwirkung lässt Stossfronten (ähnlich dem Schneepflugeffekt) entstehen, welche sich oft als scharfe Begrenzung darstellen. In sehr hohem Alter lösen sich die PN immer mehr auf, bis sie schließlich kaum noch erkennen sind. Ein gutes Beispiel dafür ist der PN Hewett 1 der mit einer Ausdehnung von mehr als 2° am Himmel als scheinbar größter PN gilt und sich in unserer unmittelbaren kosmischen Nachbarschaft befindet (Distanz ca. 50 pc) . Andererseits sind auch große, alte PN bekannt, die nicht durch solche Wechselwirkungen verformt sind. Der PN PuWe 1 ist ein nahezu symmetrischer runder PN. (PuWe steht für die Entdecker Purgathofer und Weinberger)

 

Bei Simeiz 22 kommt aufgrund seiner besonders ausgeprägten filamentartigen Struktur eine weitere Erklärung für die Deformation in Betracht. In der Literatur wird Simeiz 22 auch als „speedy PN“ bezeichnet [4]. Dieser Name rührt von seiner relativ hohen Geschwindigkeit von etwa 125 kms-1 mit der Simeiz 22 sich durch den Raum bewegt. Dies kann die kann die Verformung des PN ebenfalls erklären. Veranschaulichen kann man den Vorgang, indem man an die Olympiafackel denkt. Die brennende Fackel weht durch den „Fahrtwind“ (also das interstellare Medium) mit der Bewegungsrichtung und bildet ein schweifähnliches Hinterteil.

 Die Amateurastronomische Beobachtung von Simeiz 22 zählt für die visuellen Beobachter schon zu den anspruchvolleren Aufgaben. Im Rahmen des Fachgruppenprojekts wurden allerdings diverse Beobachtungen eingesandt. Generell gilt bei der Beobachtung von lichtschwächeren Nebeln die Anforderung an einen dunklen Himmel mit möglichst wenig Dunst. Die Verwendung eines [OIII]-Linienfilters kann ein nützliches Hilfsmittel sein, ersetzt aber keinesfalls eine gute Himmelsqualität. Das eine Sichtung bereits ab 10 Zoll Öffnung möglich ist, zeigt die Zeichnung von Martin Schönball (Abb. 1). Mit größerem optischen Geschütz ist die Beobachtung der Sichelform des Nebels und sogar der schwächeren Bereiche im Nordwestteil des Nebels möglich.

 Abschließend liste ich hier alle eingegangenen Ergebnisse zu Simeiz 22 auf und hoffe, mit diesem Artikel auch andere Sternfreunde angeregt zu haben, den „speedy PN“ mal anzuschauen oder zu fotografieren.

 

Abb. 1: Zeichnung von  Martin Schönball am Newton  250/1250 mm, 66fache Vergrößerung, fst 7,0mag, [OIII]-Filter

 

Abb. 2: Zeichnung von  Frank Richardsen am Newton  500/2500 mm, 127fache Vergrößerung, fst 7,0mag, [OIII]-Filter

 Abb. 3: Zeichnung von  Uwe Glahn am Newton  400/1800 mm, 51fache Vergrößerung, fst 7,0mag, [OIII]-Filter

 

Textbeschreibungen 

Uwe Glahn, 16 Zoll Newton, 51fache Vergrößerung mit [OIII]-Filter bei Grenzgröße 7,0 mag: Trotz Alpenhimmel und Zenitstand des Objektes schwer zu beobachten; am besten bei max. AP (7,5mm) zu erkennen; PN ist als schwacher Nebelbogen, der nach Westen hin offen ist zu erkennen; in Richtung Süden läuft der Nebelbogen spitz zu; der Nordteil scheint etwas breiter zu sein, von der faserigen Struktur ist nichts zu erkennen; im südlichen Bereich einige schwache und störende Sterne.

 Martin Schönball, 10 Zoll Newton, 66fache Vergrößerung mit [OIII]-Filter bei Grenzgröße 7,0 mag: Nur mit [OIII] Filter sichtbar, sehr schwacher Nebel, länglich O-W, im Westen etwas dicker und auch heller, ein schwacher Stern ist eingebettet, nach W schärfer begrenzt, Zeichnung angefertigt 

Stathis Kafalis, 24 Zoll Newton, 80 und 125fache Vergrößerung bei einer Grenzgröße von 6,7 mag: Im 32 mm Wide Field (80x) Stelle recht schnell ca. 2° SSO von Delta Cas gefunden. Im 20 mm Nagler (125x) bereits ohne Filter zartes bogenförmiges Gegase West über Ost nach Süd in belebtem Sternfeld am Westende mit einer Sterngruppe verschmelzend, daher in der Gesamtheit nicht ganz sicher zu erfassen. Die Kante im SO ist aber recht eindeutig. Mit OIII ein riesiges Oval grob in SW-NO ausgerichtet, wobei jetzt jener OWS verlaufende Bogen Richtung SW indirekt ziemlich deutlich hervortritt, während der PN Richtung NW extrem schwach wird und undefiniert ausläuft. Erinnert an den Medusa-Nebel. Bei „Field Sweeping“ ist der helle Bogen ab und zu gestreift? (unsicher). Einfacher als ich dachte! 

Frank Richardsen, 20 Zoll Newton, 85fache und 127fache Vergrößerung, bei einer Grenzgröße von 7,0 mag mit [OIII] und ohne Filter: In [OIII] lässt sich ein schwacher, großer, nach NW geöffneter Bogen von ca. 350“ ausmachen. Auf der östlichen Seite scheint der Außenbogen noch einmal westlich konkav „ausgeschnitten“ zu sein. Auf der SO-Seite des Nebels lässt sich visuell ein markanter Knick ausmachen, auch ist der Nebel an dieser Stelle, ebenso wie am Süd-Ende, am hellsten. 

Thomas Engl, 11 Zoll Schmidt-Cassegrain bei einer Grenzgröße von  6,6 mag: Ca. 90 Minuten verbrachte ich damit, diesen PN zu sehen. Die Stelle war zwar schnell gefunden, aber der Nebel wollte sich trotz strenger [O-III] Filtration nicht so recht zeigen. Manchmal glaubte ich, dass er leicht aufblitzt, aber nach Untersuchung mit höheren Vergrößerungen stellte ich an der betreffenden Stelle eine kleine Ansammlung schwacher Sterne fest, die mit Filter ein Nebelchen vorgaukelten. Das war aber auch nicht so schlecht, denn nun war eine Fehlerquelle eliminiert. Dann mit dem 41mm-Okular +[ O-III]-Filter konnte ich für wenige Sekunden ein gebogenes Nebelchen sehen. Nun glaubte ich, dass es jetzt einfacher werden würde, aber da täuschte ich mich gründlich. In den 1,5 Stunden wechselte ich alle Okulare und Filter hin und her, aber der Nebel zeigte sich ausschließlich mit dem 41mm Okular + Filter (das ist dahingehend interessant, da ich 10! verschiedene Okular-Filter-Kombinationen probierte. Insgesamt sah ich ihn ca. zehn mal kurzzeitig so, dass zumindest die Sichelgestalt eindeutig wahrgenommen werden konnte. Daran, Strukturen oder ähnliches zu beobachten, war nicht denken. Ich persönlich finde dieses Objekt als wirklich absolut grenzwertig für das C11, selbst unter meinen doch recht guten Bedingungen.

 

Literaturhinweise:

 

[1] Sharpless S., 1959, ApJS, 4, 257

[2] Kwitter K.B., Jacoby G.H., Lydon T.J., 1988, AJ, 96, 997

[3] Napiwotzki R., Schoenberner D., 1995, A&A, 301, 545

[4] Sh2 188: a model for a speedy PN C.J. Wareing, T.J. O’Brien1, A.A. Zijlstra and    J.E. Drew

[5] Tweedy R.W., Kwitter K.B., 1996, ApJS, 107, 255

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