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Mayall II – der Außenseiter in M 31 Jens
Bohle Noch
zu Beginn der neunziger Jahre zählte die amateurastronomische Beobachtung der
Kugelsternhaufen in M 31 zu den exotischeren Zielen für Amateurastronomen. Dies
hat sich geändert. Beobachtungen und Fotografien der M 31–Kugelsternhaufen
aus dem Amateurlager sind keine Seltenheit mehr. Unter den Kugelsternhaufen in M
31 dürfte Mayall II, oder auch G 1 genannt, der bekannteste Vertreter sein.
Seinen relativ hohen Bekanntheitsgrad verdankt er wohl seiner Helligkeit von
13,5 mag im visuellen Spektralbereich. In diesem Artikel möchte ich diesen außergewöhnlichen
Kugelsternhaufen nicht nur aus amateurastronomischer Sicht etwas näher
betrachten. Die wohl bekanntere Bezeichnung von Mayall II
lautet G 1. Diese geht auf eine Untersuchung von Sargent, Kowal, Hartwick und
van den Bergh ende der 70er Jahre zurück [2]. Auf fotografischen Platten
identifizierten sie 355 M 31-Kugelsternhaufen. In einer nach Rektaszension
geordneten Liste ist Mayall II der erste Eintrag. In den folgenden Jahren
konzentrierte sich die Untersuchung der M 31-Kugelsternhaufen auf einzelne
Mitglieder. Ganz besonders gilt dies für Mayall II. Mit fortschreitender
Technologie und daraus resultierenden Beobachtungsmöglichkeiten gelang es
erstmalig ende der 80er Jahre Einzelsterne in Mayall II aufzulösen [3]. Dabei
konnten nur die Außenbereiche aufgelöst werden (ähnlich wie es der
Sternfreund bei der visuellen Beobachtung galaktischer Kugelsternhaufen kennt).
Von Heasley und seinen Mitarbeitern werden erstmalig photometrische Messungen
von Einzelsternen in einem M 31-Kugelsternhaufen präsentiert (die Grenzgröße
lag bei ~24mag v). In ihrer Arbeit weisen die Forscher auf die Schwierigkeit
solcher Untersuchungen hin. Nur bei exzellentem Seeing unter einer Bogensekunde
waren derartige Bestimmungen mit erdgebundenen Teleskopen möglich (adaptive
Optiken folgten ja erst später). Die Probleme mit dem Seeing konnten bei einer
ganz neuen Art von Teleskopstandort umgangen werden: der Weltraum selbst. Wie
bei vielen astronomischen Untersuchungen brachte das Hubble Space Teleskop (HST)
auch aufregend neue Bilder von Mayall II (Abbildung 1). Die hellsten Sterne
welche zu Mayall II gehören, haben etwa 22,5 mag v – die Hauptbevölkerung
des Haufens ist etwa 25 mag v hell. Die Grenzgröße des HST liegt im Bereich
visueller Wellenlängen bei ~27 mag. So war die Tür für weitere Untersuchungen
geöffnet. Dabei bestätigte sich, dass Mayall II ein wahrhafter Gigant ist. Er
übertrifft die Masse unseres galaktischen massereichsten Kugelsternhaufen
Ω Centauri mindestens um den Faktor drei. Mayall II hat zwischen 7 - 17
Millionen Sonnenmassen (die Werte einzelner Messungen schwanken sehr). Sehr auffällig
auch dessen hohe Konzentration und die daraus resultierende hohe Flächenhelligkeit
des Objekts. Im etwa 0,52 Parsec (1 Parsec = 3,26 Lichtjahre) messenden
Zentralgebiet steigt die Flächenhelligkeit auf rund 13mag / “² an.
Selbst NGC 1851, welcher als Kugelsternhaufen mit der höchsten zentralen Flächenhelligkeit
in unserer Galaxie gilt, kann da mit rund 14,5 mag / “² nicht mithalten. Ganz
zu schweigen von Ω Centauri, welcher mit 16,8 / “² mag Flächenhelligkeit
deutlich schwächer ist (allerdings ist dessen Zentralgebiet rund sieben mal größer)
[4]. Auch die Form des Kugelsternhaufens ist recht ungewöhnlich. Von einem Kugelsternhaufen
kann man da fast schon nicht mehr sprechen, beträgt doch die Abweichung von der
Kreisform (Elliptizität) bei einem Radius von 8 pc immerhin 0,3. Im Schnitt
weist Mayall II eine Elliptizität von 0,2 auf und ist damit „länger“ als
„breit“. Es gibt nur wenige Kugelsternhaufen deren Gestalt noch extremer in
die „Länge“ gezogen ist. Ein Beispiel ist der jüngst entdeckte
Kugelsternhaufen NGC 1023-13 welcher eine Elliptizität von 0,37 aufweist [4].
Abbildung
1: Mayall II (G 1) mit Hubbles Augen Ein wichtiger Punkt, welcher im Zusammenhang
mit Kugelsternhaufen immer wieder genannt wird, ist deren Metallizität. Den
Begriff „Metall“ dürfen wir hier nicht im allgemein üblichen bzw.
klassischen chemischen Sinn verstehen. Astronomen verstehen unter Metallen all
jene Stoffe, deren Gewicht höher als Wasserstoff und Helium ist. Die Metallizität
gibt also deren Häufigkeit an. In klassischen alten Kugelsternhaufen ist diese
Metallizität gering, da zu deren Entstehungszeit keine schwereren Elemente
vorhanden waren. Mayall II zeigt hier auch wieder Besonderheiten. Neben Ω
Centauri weist auch Mayall II eine recht große Spreizung der Metallizität auf.
Dies bedeutet, dass die Sterne in diesen Systemen nicht alle gleich alt sind.
Dies widerspricht der gängigen Meinung, dass Sterne in einem Kugelsternhaufen
selben Alters sind. Gründe für diese Verteilung der Metallizität könnte eine
Selbstanreicherung durch Sternkollision oder dunkle Materie sein, eine
inhomogene Verteilung in der Protohaufenwolke oder, der meines Erachtens
interessanteste Aspekt, die Zuordnung als Kugelsternhaufen ist falsch. Dies könnte
bedeuten, dass Mayall II (gleiches könnte auch für Ω Centauri gelten) gar
kein Kugelsternhaufen ist, sondern vielmehr der Überrest bzw. Kern einer
Zwerggalaxie, welche Massenanteile in ihrer Peripherie bereits an M 31 verloren
hat. Diese Art von Kannibalismus ist nicht ungewöhnlich. So wird z.B. die
Sagittarius Dwarf Elliptical Galaxie (Sag DEG) derzeit von unserer Milchstraße
„verspeist“ - ein Schicksal, was auch dem Magellanschen Wolken bevorsteht.
Ob es sich bei Mayall II nun um den Überrest einer Zwerggalaxie handelt ist
noch ungewiss [5]. Doch nun zu den Amateurbeobachtungen. Die
Zahl der Veröffentlichungen zum Thema Kugelsternhaufen in M 31 ist in den
letzten Jahren stetig gewachsen ( [6] – [14] ). Oft besuchtes Objekt ist auch
Mayall II, denn mit 13,5 mag v ist er der hellste der 450 Kugelsternhaufen (drei
mal so viel wie in unserer Milchstrasse). In der Amateurszene habe ich schon von
Sichtungen mit 6 Zoll–Geräten gelesen. Einen eigenen Versuch habe ich mit
einem 6 Zoll Refraktor unter einen Himmel mit knapp 6 mag Grenzgröße durchgeführt.
Eine Sichtung mit diesem Gerät blieb mir allerdings versagt. Hans Günter
Diederich beschreibt eine Sichtung mit 7 Zoll: Meine erste Beobachtung von G1
war eine visuelle. Am 20.12.2000 beobachtete ich ihn mit meinem 7"Mak im
24,5mm-Okular: "Mehrmals identifiziere ich ihn mit indirekter Sicht. Der
Bildeindruck entspricht dem Kartenbild in Guide. Dort ist er als grüner "nonstar"
eingetragen. Das absolute Top-Highlight dieser Nacht." Im 13,8mm-Okular ist
er nicht besser erkennbar. Meine Beobachtung führte ich mit meinem 20
Zoll Newton durch. Bei höherer Vergrößerung ist dieses Objekt deutlich
nicht-stellar. Eine Eigenschaft, welche ich schon von anderen M
31-Kugelsternhaufen kenne (z.B. G 76, G 231 und G 233). Scheinbare Durchmesser
von 2-3 Bogensekunden finden sich bei einigen Objekten (siehe auch [6]).
Abbildung 2 gibt meinen visuellen Eindruck bei 432facher Vergrößerung wieder.
Interessant ist, dass ich sogar den Außenbereich vom Zentralbereich
unterscheiden konnte !
Abbildung
2: Mayall II im 20 Zoll Dobson bei
432facher Vergrößerung, Felddurchmesser 9 Bogenminuten
Selbstverständlich rücken nicht nur die
visuellen Beobachter dem „Paradehaufen“ in M 31 zu Leibe. Stellvertretend für
das Heer der Astrofotografen zeigt Abbildung 3 eine Aufnahme von Mayall II
welche mir Hans Günter Diederich zur Verfügung gestellt hat.
Abbildung
3: Mit 7"Mak in Alt-Az, ST-7 im Binning3-Modus nehme ich 50
Einzelbildern a 20s Bleibt nur noch zu sagen, dass es mich sehr
freuen würde, wenn Sie nun auf den Geschmack gekommen sind, einen
Kugelsternhaufen zu beobachten der vielleicht keiner ist ... Literaturhinweise: [1] Mayall, N.U.; Eggen, O.J. : Four nebulous
objects in the outer parts of the Andromeda nebula; Publ. Astron. Soc. Pac., 65,
24 - 29 (1953) [2] Sargent, W., Kowal, C., Hartwick F., Van
den Bergh, S.: Search for Globular Clusters in M 31; AJ 82, 947 - 953
(1977) [3] Heasley, J. N. et. al.: Photometry
of giant-branch stars in the M 31 Globular Cluster G1, AJ 96, 1312 (1988) [4] Larsen, S.S: A G1-like Globular
Cluster in NGC 1023; AJ,122,1782 (2001) [5] Meylan G., Sarajedini A., Jablonka P.,
Djorgovski S. G., Bridges T., Rich R. M. : Mayall II = G1 in M31: Giant Globular
Cluster or Core of a Dwarf Elliptical Galaxy AJ, 121, 2584, (2001) [6] Skiff, Brian; Deep Sky Magazine # 8: All
about M 31 [7] Higgins, David; Deep Sky Magazine # 32:
The M 31 globular system [8] Büchner, Michael und Niebling, Frank;
Sternzeit 2 /93: Kugelsternhaufen in M 31 [9] Veit, Klaus; interstellarum 1:
Kugelsternhaufen in M 31 [10] Veit, Klaus; interstellarum 12: G1
visuell [11] Stoyan, Ronald C.; interstellarum 9:
Galaxien der Lokalen Gruppe Teil III [12] Bohle, J. : Extragalaktische
Kugelsternhaufen; VdS Journal Sommer 2000 [13] Wacker, Wilfried: G-Punkte; Magellan
1/2001 [14] Donelasci, Giovanni: The heart of the andromeda galaxy; Magellan 1/2001 |